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17.07.2008

Interview mit Dr. med. Nader Samadi zum Thema Diabetes und Nieren

Hintergrundinterview mit Dr. med. Nader Samadi, Nephrologe und Leiter des Fachbereiches Nephrologie und Dialyse in der IDG - stellvertretend für das gesamte Diabetes-Team.

Rund 95 % der geschätzten sechs Millionen Diabetiker in Deutschland leiden unter Typ-2-Diabetes, nur 5 Prozent unter Typ-1-Diabetes. Was ist ein Typ-2-Diabetes genau?

Der Zuckerstoffwechsel gehört zu den zentralen Vorgängen in unserem Körper, von dem unsere Lebensfähigkeit abhängt. Dieser Prozess wird vom Insulin reguliert. Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse produziert und nahrungsabhängig frei gesetzt wird. Der Diabetes bei Jungen Menschen, Typ-1-Diabetes, beruht auf die verminderte Bildung von Insulin. Typ-2-Diabetes mellitus entsteht durch eine verminderte Empfindlichkeit der Körperzellen für Insulin (Insulinresistenz). In der Folge kann Glucose - also Zucker - nicht mehr ausreichend abgebaut werden. Die nachlassende Insulinproduktion steht oft im Zusammenhang mit Übergewicht und Bluthochdruck. Außerdem wird das Immunsystem unseres Körpers durch den Zucker gelähmt und bereitet den Boden für wiederkehrende Infektionen. Der Typ-2-Diabetes wird oft nicht erkannt, nicht ernst genommen oder unzureichend behandelt. Typische Risiken für die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2 sind Vererbung, Übergewicht und Bewegungsmangel.

Dieses Jahr haben Sie den Schwerpunkt Diabetes und Nieren. Warum?

Die Niere beteiligt sich in zweierlei Hinsicht am Glukosestoffwechsel. Als Täter und Opfer. Täter weil die Nierenerkrankungen den Glukosestoffwechsel direkt beeinträchtigen können. Insulin wird teilweise in der Niere abgebaut. Opfer, weil die Niere als Ausscheidungsorgan mit sehr hohem Blutfluss von den erhöhten Zuckerkonzentrationen vorrangig geschädigt wird. Die oben erwähnte Zahl von nierenkranken Diabetikern zeigt die Relevanz dieser Tatsache. Und dieses Thema ist deswegen wichtig, weil wir über sehr wirksame Vorbeugemöglichkeiten verfügen. Allerdings man muss sie kennen und auch in Anspruch nehmen. Daher wird die präventive Nephrologie ein bedeutender Schwerpunkt unserer Arbeit mit den Patienten in den Einrichtungen der Immanuel Diakonie Group sein. Dies wir natürlich in intensiver Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kollegen geschehen.

Was macht Nierenerkrankungen so gefährlich?

Durch unsere Nieren fließen täglich rund 1500 Liter Blut. Unsere Körper produziert circa 180 Liter Urin am Tag von dem der Großteil wieder zurück gewonnen wird. Am Ende werden nur 1500-2500 ml als Urin ausgeschieden. Jede Störung dieser feineingestellten und enormen Leistung beeinträchtigt das Wohlbefinden unseres Körpers. Alle Organe unseres Körpers werden durch die angestoßenen Entzündungsreaktionen bei Diabetes melitus beeinträchtigt und oft dauerhaft beschädigt. In der Niere kommt es bei der erhöhten Zuckerwert zu einer besonders starken und anhaltenden Entzündungsreaktion, die im Verlauf zur Störungen der Funktion und Vernarbung der Feingewebe in der Niere führen. In der Folge kommt es zu Verlust lebenswichtiger Eiweiße durch das undichte Nierengewebe und schlimmstenfalls zum kompletten Versagen der Niere und Dialysebedürftigkeit. Außerdem ist die Niere ein „Tachometer“ für Herzschäden.

Sind viele Diabetiker davon betroffen?

Circa 5-10% der Bevölkerung in Europa und USA leiden mittlerweile unter Diabete melitus. Ein drittel von diesen Menschen wissen von Ihrer Erkrankung nichts. Rund 28% der Patienten, deren Nieren so stark geschädigt sind, das sie eine Dialyse (Blutwäsche) benötigen, um eine Selbstvergiftung zu vermeiden, sind Diabetiker. Im Jahr 2005 waren 60.000 Dialysepatienten in Deutschland registriert, davon 17.300 Diabetiker. Nach den Hochrechnungen wird die Anzahl der Diabetiker im Zuge der Steigung unseres Lebensalters bis 2030 um 170% zunehmen.

Was kann ich selber als Betroffener tun?

Ein gesunder Lebensstil ist die Basis der Vorbeugung und Therapie der Diabetes melitus. Wichtig ist die frühzeitige Diagnose eines Diabetes mellitus und eine optimale Behandlung des Diabetes mellitus, bevor Gefäßschäden überhaupt entstanden sind. Mit der Therapie ist auch die Behandlung der übrigen Risiken für die Gefäße verbunden. Dazu gehören vor allem das Einstellen des Nikotinkonsums (z. B. durch Teilnahme an Nichtraucherkursen), die Bluthochdruckbehandlung, die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen und Beschränkung der Salzzufuhr. Man weiß heutzutage, dass durch solch eine kombinierte umfassende Risikofaktorentherapie das Entstehen von diabetischen Spätschäden deutlich verzögert und verhindert werden kann.

Außerdem ist es wichtig als Diabetiker regelmäßig an den Vorsorgeuntersuchungen teilzunehmen, die im DMP-Programm vorgesehen sind. Dazu gehören u. a. die regelmäßige Kontrolle des Langzeit-Zuckerwertes (HbA1c-Wert), der Nierenwerte, der Eiweißausscheidung im Urin und die Kontrolle des Augenhintergrundes durch den Augenarzt. Für jeden Diabetiker ist es sinnvoll, einen Diabetikerpass zu führen, der von der Deutschen Diabetes Gesellschaft entwickelt worden ist und in dem die vorgesehenen Vorsorgeuntersuchungen genau festgehalten werden können.

Ist die Ernährung ein wichtiger Punkt?

Oft ist der Diabetes mellitus mit Übergewicht kombiniert. Eine Gewichtsreduktion von nur wenigen Kilogramm verbessert die Blutzuckereinstellung oft deutlich, sodass beispielsweise auf eine medikamentöse Therapie wieder verzichtet werden kann.

Die Beeinträchtigung der Niere erfordert eine leichte Modifizierung der Ernährung. Die Einschränkung der Nierenfunktion führt reduziert den Bedarf an Insulin und sollte in der Insulintherapie berücksichtigt werden. Dies besprechen die behandelnden Ärzten mit ihren Patienten.

Die Vermittlung von Kenntnissen über eine normale gesunde Ernährung zur Gewichtsreduktion ist deshalb wichtiger Bestandteil von Patientenschulungen. Von den Diabetesassistentinnen wird am Diabetikertag deshalb auch ein Vortrag über die Bedeutung der gesunden Ernährung bei Diabetes mellitus gehalten. Ein weiterer Vortrag der Pflegekräfte wird sich mit der medikamentösen und diätetischen Behandlung des Bluthochdrucks im Rahmen der Patientenschulungen beschäftigen.

Könnte ich Diabetes haben - was kann ich tun?

Von der Deutschen Diabetes Union sind neuerdings spezielle Fragebögen entwickelt worden, um das individuelle Diabetes-Risiko genauer anhand weniger Fragen abschätzen zu können. Dabei werden Fragen zum Auftreten des Diabetes mellitus in der Familie, dem Essverhalten, dem Taillenumfang, dem Körpergewicht und der Körpergröße gestellt.

Diese Fragebögen werden auf dem Diabetestag im Evangelisch-Freikirchlichen Krankenhaus und Herzzentrum Brandenburg in Bernau ausliegen. Dort wird auch eine individuelle Beratung bezüglich des ermittelten Risikos angeboten. Bei einem erhöhten Diabetes-Risiko oder Warnzeichen ist es sinnvoll, den Blutzuckerspiegel zu messen. Dies kann beispielsweise der Hausarzt durchführen. Eine einfache Urinuntersuchung mit Teststreifen durch den Hausarzt hilft eine frühe Erkennung des diabetischen Nierenschaden festzustellen. Ein Testangebot für die Messung des Blutzuckerspiegels wird auch auf dem Diabetikertag in Bernau zur Verfügung stehen.

Wie kann man Sie bei speziellen Fragen zu Nierenerkarnkungen allgemein und im Zusammenhang mit Diabetes speziell erreichen Herr Dr. Samadi?

Das nephrologische Team ist über das Sekretariat der Inneren Abteilung im Krankenhaus Bernau unter der Nummer 03338694410 zu erreichen.

Der 6. Diabetikertag am Samstag, den 7.06.2008 findet von 9.00 bis 13.00 Uhr im Evangelisch-Freikirchlichen Krankenhaus und Herzzentrum Brandenburg in Bernau, Ladeburger Str. 17 statt. Dort erhalten Sie viele Informationen, insbesondere zum diesjährigen Schwerpunkt Diabetes und Niere und können mit Fachleuten sprechen. Ab 9.00 gibt es Informationsstände und einen Frühstücksimbiss, von 10.00 bis 13.00 sind Vorträge geplant. Nach dem Mittagessen findet um 13.30 ein Atemtherapiekurs statt. Um 14.00 wird ein Nordic Walking Schnupperkurs angeboten - Anmeldung dafür unter 03338-694-442.

Vielen Dank für das Interview Herr Dr. Samadi

Dr. Carsten Kolbe-Weber

 
 
 
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